Montag, 19. Juni 2017

Rückblick auf Reise und Material

Sechs Monate auf dem Fahrrad sind eine lange Zeit und wir möchten an dieser Stelle gern eine kleine Reisebilanz ziehen. Wenn man eine Fahrradreise plant, sollte man zu aller erst Eckdaten wie Ziel, Strecke und Dauer der Reise festlegen. Daraus ergeben sich dann die Anforderungen an Mensch und Material. Bei der Wahl der Ausstattung sollte natürlich an mögliche Wetterlagen gedacht werden. Außerdem muss sich jeder Reisende darüber Gedanken machen, wie autonom er auf seiner Reise sein möchte.

Reiseroute und Organisation

Wir entschieden uns für EuroVelo-Wege. Diese bieten den Vorteil, dass man nur auf Straßen mit möglichst wenig Verkehr fährt und die Strecke einen geringen Schwierigkeitsgrad hat (obwohl einige Steigungen die angegebenen 6% übersteigen). Auf der Website biroto.eu kann man gratis EuroVelo-Strecken und viele andere Fahrradrouten in Europa herunterladen und aufs Navigationssystem übertragen. Außerdem ist die App maps.me sehr zu empfehlen. Mit dieser könnt ihr schnell und einfach Supermärkte, Banken, Krankenhäuser, Campingplätze und andere Adressen und Koordinatenpunkte finden. Die App funktioniert ohne Internet, da über das GPS des Handys läuft. Das einzige Problem ist, dass der Akku schnell leer ist.

Dieser wunderschöne Streckenabschnitt überstieg bei weitem die 6% Steigung

Im Schnitt fuhren wir an zwischen drei und fünf Tagen ca. fünf Stunden täglich und legten dann ein bis zwei Ruhetage ein. So konnten wir unermüdlich monatelang reisen ohne uns größere Verletzungen zuzuziehen. Außerdem eignen sich Ruhetage besonders gut zum Wäschewaschen, Emails beantworten und für Besichtigungen. 

Unterkünfte und Ernährung

Um nicht so viel Geld auszugeben, entschieden wir uns dafür, so autonom wie möglich zu leben, meistens im Zelt zu schlafen und mit unserem Camping-Kocher zu kochen. Wir mussten feststellen, dass dies im Winter sehr schwierig war – nicht nur wegen der Kälte (bis zu -5° C), sondern auch, weil es im Winter so früh dunkel wird. Dadurch waren die Tage so kurz, dass wir im Schnitt zwischen 12 und 14 Stunden im Zelt verbringen mussten und uns später kaum noch zum Kochen in der kalten Dunkelheit vor dem Zelt motivieren konnten. Der einzige Vorteil des Winters war, dass wir trotz täglichem stundenlangen Sport nicht schwitzten und somit die Kleidung seltener waschen mussten. Allerdings fanden wir die Frühlingstemperaturen, die wir ab März hatten, viel angenehmer zum Fahrradfahren.

Fahrradreise im Winter

Je weiter wir Richtung Osten reisten, desto einfacher war es, einen geeigneten Ort zum Campen zu finden. Dies mag an den oft weniger ausgeprägten Städtegebieten und der Tatsache, dass Wildcamping hier nicht überall verboten ist, liegen. Ob ein Ort sich zum Campen eignet oder nicht, muss jeder natürlich für sich entscheiden. Wir haben z.B. keine einzige Nacht unter einer Brücke geschlafen und versuchten immer, einen angenehmen, ruhigen Ort zu finden. Wenn das nicht möglich war, suchten wir eher ein Hotel oder Hostel.

Campen in Griechenland

Das, was uns beim Campen am meisten gestört hat, war der Regen. Wir hatten uns vorgenommen nichtlänger als einen Tag und eine Nacht am Stück im Regen draußen zu sein, da sonst alles nass ist, Erkältungen drohen und auch das Zelt nicht mehr trocknen kann. Und ein nass zusammengepacktes Zelt verliert leiert sich aus und ist dadurch später auch regendurchlässiger. Wenn wir also im Voraus wussten, dass es bald regnen geben würde, versuchten wir schnell ein Airbnb (eine der unserer Meinung nach günstigsten Unterkunftsarten) zu reservieren, dort eventuell schon nasse Dinge zu trocknen und auf besseres Wetter zu hoffen. Wir reservierten meistens von irgendeinem Café aus (viele Cafés und Bars haben Wlan) und nutzten hierfür wir die App von Airbnb.

Aibnb-Unterkünfte zum Ausspannen

Sehr positive Erfahrungen haben wir mit warmshowers gemacht. Da diese Website speziell für Fahrradreisende gedacht ist und somit weniger Menschen anspricht als z.B. couchsurfing, trafen wir dadurch Leute, mit denen wir viel gemeinsam hatten und die sich, da sie meistens selbst schon mit dem Fahrrad gereist sind, in unsere Lage versetzen konnten. Die Warmshowers-Gemeinschaft ist ein gutes Beispiel für Solidarität und Vertrauen, da man fremde Leute gratis beherbergt ohne eine Gegenleistung zu verlangen. Wir haben uns fest vorgenommen, nach unserer Reise auch Warmshowers-Gastgeber zu werden.

Warmshowers bei Ausilia in Norditalien

Auf der Balkanhalbinsel haben wir nicht immer selbst gekocht, da es hier sehr günstig war, in einem Lokal zu essen. So kamen wir nicht nur in den Genuss der lokalen Speisen, sondern trafen auch auf sehr freundliche Menschen. Allerdings gehört hier zu fast jeder Speise Fleisch, was es für Vegetarier schwieriger macht.

Ćevapčići in Bosnien und Herzegowina

Fahrräder

Mit unseren “Cross Bikes”, die schmaleren Mountain Bikes ähneln, auf denen man aber eine angenehmere Sitzposition hat, waren wir sehr zufrieden. Wir haben mit diesen Fahrrädern 4350 km zurückgelegt, ohne auch nur einen platten Reifen zu haben! Unglaublich aber wahr! Dies lag vielleicht daran, dass wir 90% unserer Strecke auf asphaltierten Straßen zurücklegten. Wir hatten aber auch die „Marathon plus“ Reifen von Schwalbe für 29 Zoll Räder, die wir nur weiterempfehlen können. Diese Rädergröße ist zwar gut zum Reisen geeignet, aber nicht in jedem Land leicht zu finden, da an vielen Orten 26 Zoll Räder gängiger sind. Unsere Fahrräder sind mit mittelklassigen Komponenten von Shimano (Deore) ausgestattet und kosteten zwischen 700 und 800 €. So hatten wir ein zuverlässiges Rad zu einem guten Preis. Man kann ein ähnlich gutes Rad gebraucht natürlich auch günstiger kriegen. Das einzige, was wir an den Rädern auf der Reise ersetzen mussten, waren die Bremsbeläge.

Gemeinsam reisen


Wer gemeinsam reist verbringt 24 Stunden am Tag zusammen. Das ist ein ganz schönes Abenteuer (eine Herausforderung), aber eben auch die Möglichkeit, eine sehr starke Bindung zur anderen Person aufzubauen. Hierbei ist es wichtig, dass man einander zuhört, Geduld mitbringt und flexibel ist. Das ist nicht immer einfach! Entscheidungen müssen gemeinsam getroffen und Aufgaben aufgeteilt werden, sonst gerät die Beziehung in ein Ungleichgewicht. Abends kann z.B. einer einkaufen während der andere das Zelt aufbaut.

Wer sich für eine solche Reise entscheidet, verlässt seine Comfort Zone und lernt sich selbst und den anderen besser kennen. Beziehungen entwickeln sich sehr schnell und Kommunikation ist das A und O. Wie die Reise sich verläuft, hängt von den Wünschen beider Personen ab. Es müssen beide an einem Strang ziehen, um voranzukommen.

Fahrradreise zu zweit

Wir haben nun unser Reiseziel erreicht und sehnen uns – man glaube es kaum – nach einem beständigen Zuhause. Einige Zweifel und Zukunftsfragen hatten wir auf die Reise mitgenommen. Manches ist uns nun etwas klarer. Wir wissen teilweise, was wir wollen und ärgern uns nicht mehr darüber, dass wir ein paar Dinge eben doch noch nicht wissen. Viele Begegnungen haben uns inspiriert und uns aufgezeigt, wie man leben kann. Dafür sind wir dankbar und freuen uns, einiges von dem Gelernten in die nächste Lebensphase mitzunehmen.

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